Ausgesprochen: Erst sollte die neue Reihe eigentlich richtig starten, dann eigentlich doch nicht. Wenn das Wort eigentlich nicht wäre.

Eigentlich wollte ich mich an diesem Nachmittag hinsetzen und eine regelmäßige Reihe beginnen, die ich hier schon pilotiert habe und die sich immer mit Zitaten auseinandersetzen soll, die nicht ganz im Fokus der Öffentlichkeit stehen, aber durchaus Mal beleuchtet werden sollten. Doch diese Nacht kam dazwischen, die uns alle doch irgendwie lähmt und uns das Gefühl gibt in einem Videospiel gelandet zu sein, das doch eigentlich schon durchgespielt ist aber einfach wieder von vorne los geht, wenn der Endgegner erst einmal besiegt ist.

Also beschloss ich den ganzen Mist bleiben zu lassen, weil ich der Überzeugung war man kann sich heute entweder ironisch mit  dieser orangehaarigen Witzfigur auseinandersetzen, die schon jeden Witz über sich selbst gemacht oder man lässt es schlicht ganz bleiben. Also las ich nur. Ich las dummes, kluges, eitles, wahnsinniges und reflektiertes Zeug.

Und dann sah ich einen Post des Süddeutsche Zeitung Magazin bei Instagram, der mindestens spannend ist. Er zeigt einen Satz von Donald Trump selbst. Aus dem Jahr 2000.

Eines unserer Grundprobleme dieser Tage ist, das Politik so eine Schande ist. Gute Menschen gehen nicht in die Regierung.

Donald Trump, zukünftiger Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika

Dieser Satz sagte mir: Nein, auch mit dieser Witzfigur muss man sich weiter ernsthaft auseinandersetzen, selbst wenn es weh tut. Mal abgesehen davon, dass Pauschalisierungen immer Quatsch sind (Irony is strong with this one), gilt diese Aussage auch und allen voran für Donald Trump selber. Denn dass die USA bald jemanden als Präsidenten haben, der ganz eventuell etwas von Wirtschaft versteht, aber ganz sicher nichts von professioneller Politik und erst recht nicht von Außenpolitik, ist mit Sicherheit ein Problem, aber es ist zu überwinden. Auch, dass jemand in einer solch wichtigen Position offen davon spricht quasi das gesamte weibliche Geschlecht an den Genitalien zu packen, ist grauenhaft, aber wir werden damit klar kommen. Und bevor hier irgendwer kommt mit [[Aber Bill Clinton hat sich von der Sekretärin beglücken lassen]] oder [[Aber Hillary ist viel schlimmer]]: Selbst wenn ihr das so seht, was eine legitime wenngleich dumme Annahme ist: Es ist wirklich. Absolut. Scheiß. Egal.  Denn was schlecht ist wird nicht dadurch besser, das etwas anderes ganz eventuell noch schlimmer ist. Es bleibt einfach unreflektierter Bullshit, der weder im weißen Haus noch in irgendeinem Twitter-Account etwas zu suchen hat. Aber das haben ja sogar die Berater von Donald Trump erkannt.

Sei es drum: All das nützt wenig, auch hilft es kaum, wenn ich in meiner Facebook-Timeline mal mehr und mal weniger Ernst gemeint gefragt werde, warum alte Leute respektive alte weiße Männer eigentlich noch wählen dürfen?

Solche Gedanken sind an sich nicht wesentlich minder gefährlich, als das was wir von Donald Trump hören durften und erwarten dürfen. Denn Demokratie beinhaltet auch das Recht auf Dummheit. Jeder noch so dumme, ekelhafte oder unreflektierte Wähler hat in demokratischen Gesellschaften das Recht zu denken und zu wählen, was im Rahmen der entsprechenden Verfassung zulässig ist – also ziemlich viel. Wir dürfen fassungslos sein, ob der offensichtlichen Verblendung (oder schlicht Dummheit), die es an die Wahlurnen der USA aber auch an die in Großbritannien im Juni geschafft hat. Nein, wir müssen sogar fassungslos sein, obschon die Umkehr der Umfragewerte spätestens seit dem Schock aus London eigentlich nicht so überraschend hätte kommen dürfen und nicht nur mich gestern mit Bauchgrummeln ins Bett entlassen hat.

Aber westliche Demokratien MÜSSEN das aushalten. Das einzige was uns von Autokratien unterscheidet, ist ungehindert(!) weiter für genau die Werte kämpfen zu können, die wir und unsere Vorfahren über Jahrzehnte hinweg erkämpft und verteidigt haben. Wenigstens das müssen wir uns nicht erkämpfen, anders als Millionen Unterdrückte weltweit. Wir müssen es verteidigen. Erkämpfen müssen wir uns jedoch nur eins: Dass genau die Prinzipien und Grundrechte in eine Richtung durchgesetzt werden, die Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz, Akzeptanz oder Religions- und Meinungsfreiheit auch wahr werden lassen. Das beinhaltet – so weh es eventuell tun mag – eben auch das Recht absurde und schlechte Menschen zu wählen. Und es stimmt, damit werden die USA zu kämpfen haben. Offensichtlich ist der Kampf um (oder besser: für) Werte – auch hierzulande – noch intensiver als wir befürchtet haben, vielleicht ist er auch unendlich, so wie die Geschichte sich derzeit im Kreis bewegt.

Aber auch ein Donald Trump kann und wird  es nicht schaffen die Demokratie auszuhebeln und mit seinen Lügen die gesamte Institution und Institutionalisierung eines demokratischen Staates zu gefährden. Dafür gibt es Gerichte und hoffentlich auch genug republikanische Kongressmitglieder, die trotz Mehrheit den größten Wahnsinn verhindern.

Also ja, es ist nicht nur schwer verdaulich, es ist schlicht zum Kotzen diesen Mann im kommenden Jahr als Staatsoberhaupt eines der wichtigsten Länder der Welt zu sehen. Aber wir müssen versuchen diese demokratische Entscheidung mit Fassung zu tragen, das beste daraus zu machen und nicht dazustehen und zu zeigen wie schockiert wir alle sind. Das sind wir zweifelsohne und auch mit Recht. Und auch wenn beileibe nicht alles gut ist, was die Regierungen hierzulande oder in den USA anstellen, sie vom Hof zu jagen und etwas wie Trump oder (bewahre) Frauke Petry als Regierungschef oder -chefin zu wählen, macht doch nur alles schlimmer. Zur Verteidigung unserer Werte gehört es verdammt noch mal das zu kritisieren, was unsere Regierungen verbocken, das auszuhalten was Radikale verzapfen und das durchzusetzen, was unsere Werte verlangen. Und schon klar, gerade was das letzte ist, kann nicht einfach beantwortet werden. Aber es gar nicht erst zu versuchen ist wie wildfremden Frauen in den Intimbereich zu fassen, weil man meint man könne es sich erlauben: Einfach abstoßend.

 Den Beitrag als Audio:

Die Reihe [[Ausgesprochen]] setzt sich mit Zitaten auseinander, die so nicht unbedingt in der Öffentlichkeit beleuchtet wurden – aber eigentlich interessant sind.