Es klingt paradox, nachdem seit Jahren mehr Transparenz von Facebook eingefordert wird. Aber die neue Politik des Social Media-Giganten könnte sogar zu offen sein.

Während der diversen Wahlen in der jüngsten Zeit war es immer wieder in der Diskussion, dass Facebook es mit den so genannten Dark Ads ermöglicht, Anzeigen zu schalten, die nur speziell gewählten Zielgruppen ausgespielt werden und für andere Nutzer auf keine Art und Weise abrufbar sind. Das konnte dazu führen, dass politische Parteien beispielsweise wirtschaftlich schlechter gestellten Zielgruppen Steuersenkungen verspricht während betuchtere Nutzer ein gegensätzliches Wahlversprechen angezeigt bekamen. Ohne, dass es auffiel.

Dieses Problem behebt Facebook nun, wie es in einem Blog-Post ankündigt. So soll es künftig möglich sein, sich alle Anzeigen (also nicht nur politische) einer Facebook-Seite durch Klick anzeigen zu lassen und dazu zu sehen, ob man zur eingestellten Zielgruppe der Anzeige gehört. Dazu wird auch transparent, warum man eine Anzeige sieht. Das fordert immer noch Eigenengagement, wird aber nicht ganz zu Unrecht von Branchenportalen wie Meedia als Transparenzoffensive gefeiert.

Menschen könnten fast identifizierbar werden

Allerdings ist es damit nicht getan, denn Facebook zieht die Daumenschrauben für politisches Campaigning noch weiter an: Wahlbezogene Anzeigen müssen noch mehr preisgeben. So soll es laut Ankündigung detaillierte Angaben dazu geben, wie hoch das Budget für eine Anzeige war, wie viele Impressionen sie bekommen hat, sowie demografische Informationen zu jenen Menschen, die eine Anzeige ausgespielt bekommen haben. Wer Facebook-Werbeanzeigenmanager oder Power Editor ein wenig kennt, der weiß wie detailliert Zielgruppen teilweise sein können – und, dass mithilfe der von Facebook angekündigten Infos wie Geschlecht, Ort oder Alter Menschen teilweise fast identifizierbar werden können. Stellt sich schon die Frage, ob das noch wünschenswert ist oder die Transparenzmaßnahme hier nicht über das Ziel hinausschießt.

Die grundsätzliche Richtung der Facebook-Maßnahmen ist zweifelsohne begrüßenswert, auch wenn im Anzeigenwildwuchs unterschiedlicher Zielgruppen und in Anbetracht von diversen AB-Tests nicht klar ist, wie transparent das Vorgehen dann wirklich ist. Und Meedia hat sicherlich auch recht, wenn es kritisch betrachtet, dass sich Marketer über jede Info wie die Konkurrenz agiert freuen wird, was aber auf Gegenseitigkeit beruht.

Wer ehrlich ist, ist dumm

Zumindest wie wahlbezogenen Kampagnen haben aber noch ein Problem: Wenn ich nicht preisgebe, dass die Kampagne einen Wahlbezug hat, gelten die strengeren Bestimmungen für mich nicht. Wenn also eine kleine aber radikale Klitsche schnell eine Hetzkampagne hochzieht, ein paar Tausend Euro reinsteckt und damit eine Vielzahl von Facebook-Nutzern erreicht, könnte es passieren, dass die Transparenz nicht hergestellt wird, während Parteien sie kaum umgehen werden können. Zwar hat Facebook angekündigt, künstliche Intelligenzen nach politischen Kampagnen suchen zu lassen, wie zuverlässige diese Arbeiten muss sich aber noch zeigen. Solange gilt: Wer unehrlich ist gewinnt. Wer ehrlich ist, ist hingegen der Dumme.

© Bild: Screenshot Facebook Werbeanzeigenmanager