Dass ein Wörterbuch-Verlag mit der Wahl des Jugendworts Marketing macht, ist mehr als verständlich. Weniger nachvollziehbar ist die Aufregung über die verkommene Jugend und, dass unzählige Medien, Werbeagenturen und Unternehmen auf die billige Kampagne anspringen.

Es ist einigermaßen scheißegal, dass [[i bims]] das Jugendwort des Jahres geworden ist. Dass die Begrifflichkeit genau genommen aus zwei Worten besteht, spielt dann auch keine Rolle mehr. Es ist allerdings nicht scheißegal, weil es völlig irrelevant ist, wie das was allgemein als [[die Jugend]] verstanden wird spricht. Es ist scheißegal, weil die Wahl zum Jugendwort des Jahres im Prinzip eine reine Werbekampagne für Langenscheidt ist. Das wäre weiter kein Problem, vor allem nicht in einer Zeit in der Unternehmen es zunehmend schwerer haben, die mit gedruckten Produkten ihr Geld verdienen. Dass die Jugendwort-Jury unter Langenscheidt-Vorsitz seit 2008 das Wort der jungen Menschen kürt, ist völlig legitim.

Ins Fäustchen lachen dürfte man sich beim Verlag hingegen, wie viel mediales Echo diese wertlose Wort-Kür hervorruft. Da sind zum einen die Medienpartner, namentlich wären da beispielsweise Bravo und taff, die ganz zwangsläufig ihre Seiten und Minuten mit den abgefahrenen Wortschöpfungen füllen, die die Teens und Twens sich vorgeblich um die Ohren schmettern. Aber als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, springen auch sämtliche andere Medien mit auf den Zug auf.

Beispiel gefällig:

Bild und öffentlich-rechtliche Sender geben sich natürlich auch keine Blöße:

Da ist es ja fast verzeihlich, dass auch das fesche Jungspundportal bento mit auf den Zug aufspringt:

Und Menschenskinder, sogar bis nach Österreich und Special Interest-Medien hat es [[i bims]] geschafft:

Wie stark das Interesse nur durch den Marketinggag, also abseits der tatsächlichen Sprache, angestiegen ist, zeigen auch die Google Trends gut auf. Denn zugegeben, es gab schon in den Vormonaten Interesse am Begriff [[i bims]]. Wie die folgende Grafik von Google zeigt, gab es aber in den vergangenen Tagen eine wahre Explosion:

Journalisten berichten also ohne Grenzen über einen Sprachenwettbewerb ohne sprachwissenschaftlichen aber dafür mit umso mehr wirtschaftlichem Wert. Und Langenscheidt bekommt jede Menge Earned Media, wobei earned in diesem Fall nicht wirklich für verdient stehen kann. Und auch Werbeagenturen oder Unternehmen haben den Buzz in den sozialen Medien für mehr oder weniger unterhaltsame Kampagnen genutzt, wie zum Beispiel Lidl:

Dabei ist die grundsätzliche Idee, auch Jugendsprache zu würdigen gar nicht so mies und es ist keineswegs verurteilenswert, wie junge Menschen sprechen (auch wenn ich anzweifeln möchte, dass das [[Jugendwort des Jahres]] dies angemessen repräsentiert). Sprache ist ein Vehikel, auch wenn das Menschen die – wie ich – Sprache als etwas Schönes und Wertvolles internalisiert haben, das manchmal vergessen. Womöglich ist schon diese Art zu formulieren in sich paradox. Jedenfalls ist nicht verurteilenswert, das Vehikel Sprache pragmatisch oder identitätsstiftend einzusetzen.

Es ist also sinnvoll junge Sprache zu erforschen, womöglich bringt es sogar einen Wert, ein wirkliches [[Jugendwort des Jahres]] zu küren. Denn (Jugend-)Sprache repräsentiert immer auch gesellschaftliche Entwicklungen. Sprache manifestiert Wandel und lässt ihn teilweise nachvollziehbar machen. Man kann Dinge daran kritisieren, aber wer in Sprache Kulturverlust sieht, ist in aller Regel ordinärer als diejenigen, die er kritisiert.

Insofern stehen jene, die sich als Retter der Kultur gerieren vermutlich auf einer Stufe mit denen, die das [[Jugendwort]] durch’s Dorf tragen als hätte es die gleiche Relevanz wie der Klimawandel oder gerechtfertigte Aufregung über Männer, die in Blumentöpfe ejakulieren. Sie stehen gewiss nicht über der kritisierten oder zumindest nicht ernsthaft betrachteten Jugend. Genau darin manifestiert sich Kulturverlust. Nicht in Worten, die man selbst nicht benutzt. Denn Kultur tritt nunmal in unterschiedlichsten Facetten auf. Oder wie Langenscheidt es sagen würde: i bims, die kultur.

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