Wenn eine 15-Jährige umgebracht wird, welche Rolle spielt dann der Pass eines Tatverdächtigen? Und muss die [[Tagesschau]] darüber berichten?

Ein vermeintlich 15-jähriger Afghane hat gestanden, im rheinland-pfälzischen Kandel eine 15-jährige Deutsche ermordet zu haben. Dass allein in diesem ersten Satz die Nationalitäten auftauchen, ist wohl dem aktuellen Zeitgeist geschuldet. Der Pressekodex sieht schließlich anderes vor und für das Verständnis der Tat ist die Nationalität zunächst nicht relevant.

Warum nicht? Die Polizei geht von einer Beziehungstat aus. Der junge Mann hat demnach aus Eifersucht gehandelt. So weit, so schlimm, so überzogen. Die Tat ist zweifelsohne grausam, allen Angehörigen und Betroffenen sei Beileid ausgesprochen. Nur taugt sie ohne weitere Indizien nicht, um zu zeigen, dass kulturelle Unterschiede diesen Mord ausgelöst haben. Auch wenn der AfD-Chef Jörg Meuthen das anders sehen mag.

Der Medienjournalist Boris Rosenkranz, hat in einem Tweet auf eine Tat aufmerksam gemacht, die etwas mehr als zehn Jahre zurückliegt. Hier ist der 15-jährige Christoph T. verdächtig, eine Gleichaltrige umgebracht zu haben. Mutmaßlich handelt es sich bei T. um einen Deutschen, allerdings verzichtet die Rheinische Post in diesem Fall auf eine Nennung der Nationalität. Das Motiv von T.: Eifersucht.

Angenommen es handelt sich also um einen Deutschen: Wo liegt dann aus sachlicher Betrachtung der Unterschied? Spekulationen, dass es sich um einen Ehrenmord handelt, sind zunächst reine Mutmaßungen. Es wird kein Unterschied sichtbar. Beide Morde sind grausame und unsinnige Taten, bei denen ein Beziehungshintergrund nahe liegt.

[[Ist doch schon ewig her]] und [[Der ist ja gar nicht 15.]]

Erstes Gegenargument unter dem Tweet von Rosenkranz: [[Ist doch schon ewig her, bei Flüchtlingen passieren solche Fälle hingegen andauernd.]] Wer allerdings tatsächlich Belege für massenhafte Morde von minderjährigen Flüchtlingen findet, der möge sich damit bei mir melden.

Zweites Argument: [[Der ist ja gar nicht 15.]] Wahnsinn. Klar, für einen Verbrecher macht das Alter einen Unterschied, vor allem in der Bestimmung des Strafmaßes. Und bei einem älteren Täter dürfen durchaus höhere Maßstäbe an Vernunft und Mäßigung angesetzt werden. Für die Betroffenen kann das wichtig sein. Dem Mordopfer hilft das aber leider nicht. Das erste Argument entkräftet es sogar: Morde von deutschen Straftätern zu finden, die selbst volljährig sind ist natürlich ebenso ungleich einfacher möglich, wie Morde von nicht-deutschen Tätern.

So gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik 2016 2.418 Fälle von Mord, Todschlag oder Tötung auf Verlangen. Also mehr als 6 pro Tag. Allesamt von Flüchtlingen? Wohl kaum. Und selbst wenn es bereinigte Zahlen geben sollte, die zeigen, dass bei zwei vergleichbaren Personen unterschiedlicher Herkunft (also zum Beispiel gleiches Geschlecht, vergleichbares Alter) „der Deutsche“ weniger mordet als „der Ausländer“, reicht das noch lange nicht für einen Generalverdacht. So aber jedenfalls ist die Beweisführung keineswegs erfolgreich.

Nun bedeutet das nicht, dass es in mehrheitlich islamischen Staaten kein kulturelles Problem im Umgang mit Frauen gibt. In Saudi-Arabien beispielsweise (ohne Afghanistan und Saudi-Arabien in einen Topf werfen zu wollen) gibt es zweifelsohne Probleme mit der Rolle der Frau. Allerdings bedeutet das nicht, dass jeder einzelne Mann ein diskriminierender oder gar vergewaltigender und mordender Einfaltspinsel ist. Aber der Mord von Kandel kann unter den gegebenen Fakten nicht als Beleg für kulturelle Probleme dienen.

Für die Tagesschau? Eigentlich kein Thema.

Ein Thema war ferner auch die Tagesschau, die den Fall Kandel, so die Aufregung Mancher, mal wieder verschweigt. Im Blog erklärt sie, warum der Mord von Kandel in den Sendungen nach der Tat nicht vorkam. Beziehungstaten, aber auch einzelne Kriminalfälle werden in der Regel von der Tagesschau nicht gebracht, sofern sie nicht überragende Bedeutung haben. Da ist es fast schon inkonsequent, dass in der Hauptausgabe des 28. Dezember (also nach Erscheinen des Blog-Posts) sogar ein kurzer Beitrag zum Mordfall zu sehen war.

Spätestens nachdem der Fall eine Debatte über die Altersprüfung von Flüchtlingen hervorgerufen hat, ist die überragende Bedeutung natürlich durchaus gegeben, wenn auch indirekt. Zuvor aber war sie kaum zu rechtfertigen. Das zeigt sich wiederrum im oben genannten Mordfall des Christoph T. : Hier wurde von der Tagesschau nicht berichtet. Zumindest in den Hauptausgaben der Tagesschau vom 2.-5. Dezember 2007, also dem Tag des Mords sowie den Tagen danach, wird der Fall nicht erwähnt. Das lässt sich über das Archiv der Tagesschau unschwer überprüfen.

Sogar der Lotto-Jackpot hatte einen Einspieler

Vielleicht liegt es an der generellen Hysterie im Netz oder der veränderten Mediennutzung, jedenfalls kann ich mich weder an Aufregung um die Nichtberichterstattung im Mordfall von 2007 erinnern, noch konnte ich in der Recherche Aufregung über fehlende Berichte des Nachrichten-Flagschiffs finden. Auch hier zeige man mir aber gerne das Gegenteil

Darin, dass kein Platz in der Tagesschau war, kann die fehlende Berichterstattung jedenfalls nicht ihre Ursache haben: Schließlich bekam sogar der Lotto Rekord-Jackpot von 43 Millionen Euro einen kurzen Einspieler. Ob der wohl überragende Bedeutung hatte?

Der Tagesschau kann man also kaum einen Vorwurf machen. Vielleicht dürfte man anmerken, dass in einer Ausgabe von 2007 das iPhone als [[Multimedia Handy]] bezeichnet wird, was damals offenbar noch üblich war. Dass etwas fehlt allerdings, ist unter Beachtung der selektiven Rezeption Vieler, nicht festzustellen.

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