Da ist sie nun also wieder! Die Quadriennale der besten Rasenballmannschaften: Die Fußballweltmeisterschaft. Was an dieser Stelle überrascht: Obschon die 11Freunde und Meedia.de (um nur zwei Beispiele zu nennen) auf ihren Seiten verkünden, dass so richtige Freude noch nicht aufkommen will – die WM wird losgehen.

Verständlich erscheint das zaudern durchaus, ist doch zwischen der erneuten Kandidatur von Sepp Blatter, Unruhen in Brasilien und neuerlichen Korruptionsvorwürfen um die Vergabe der WM in Katar einiges im Argen. Irgendwie ist es dann doch wie immer. Sobald die Autofähnchen und Seitenspiegelkondome ausgepackt werden, kommen Stimmen auf, die „Nationalismus“ schreien. Und tatsächlich hat dieser selektive Nationalstolz etwas kurioses, wenngleich Nationalstolz per se nicht zu verurteilen ist. Aber da ist noch mehr. Wie jedes Mal wird die deutsche Mannschaft vor dem Turnier schlecht geredet. So war es nach dem Testspiel-Debakel gegen Italien 2006 (1-4) und nach der Begegnung gegen Bosnien-Herzegowina 2010 (selbst wenn die deutsche Elf 3-1 siegte). Was dann kam war vor allem Begeisterung, auch wenn es nie für den Titel reichte. Doch trotz des zumindest ergebnistechnisch recht deutlichen 6-1 Sieg der DFB-Elf gegen Armenien: Von Euphorie kann auch diesmal keine Rede sein.

Auffällige Parallelen weist die Weltmeisterschaft hierzulande übrigens auch zu zwei gesellschaftlichen Großereignissen auf: Ostern und vor allem Weihnachten. Schon Wochen vorher wird alles geschmückt und es gibt irre Produkte in jeglicher Form (bei denen sich selbstverständlich nur für billiges Marketing anfällige Blogger zum Kauf überreden lassen). Spätestens hier sollte jeder Fan der so genannten Traditionsvereine die Illusion verwerfen, dass Fußball kein Geschäft sei. Oder dann wenn eine Nationalmannschaft droht, nicht zur WM abzureisen, weil die Prämien zu niedrig sind. Hätte man das früher so gesehen, die deutschen Damen wären wohl nie Weltmeister geworden.

Dass aber eben der Fußball nicht nur bloßer Zeitvertreib, sondern auch Umsatzquelle ist, scheinen viele einfach nicht wahrhaben zu wollen. Nicht nur dann, wenn sich Mario Götze als Judas titulieren lassen muss. Auch die Führung des VfB Stuttgart (ebenso auch die Verantwortliche einiger anderer Vereine) ließ sich jüngst von Fußballromantikern einlullen und sagte offensichtlich aufgrund von Fanprotesten ein zuvor ausgemachtes Testspiel gegen den Retorten-Club RB Leipzig ab. Das ist bei Lichte betrachtet eine Frechheit gegenüber den Leipzigern. Es ist kein Verein gezwungen gegen den Red Bull-Verein anzutreten, Kritik an der Vereins-Philosophie ist sicher erlaubt. Nur wer einen Test ausmacht, der muss auch antreten sofern es keine drängenden Gründe dagegen gibt. Aber nur weil die eigenen Fans das irgendwie doof finden? Nein, das darf kein Grund sein. Wer der Meinung ist, dass jeglicher Warencharakter dem Fußball seinen Geist vollständig nimmt, der sollte ohnehin weder eine Bundesliga-Mannschaft unterstützen noch ein Nationalteam. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, findet man dann ja in der Kreisliga noch ein Team. Aber selbst da wird es eher die Ausnahme denn die Regel sein. Die Weltmeisterschaft aber – um zum eigentlichen Thema zurückzukehren – verliert gegenüber den vergangenen Jahren dadurch nicht an Reiz – Kommerzprodukt war sie auch schon 2006 und 2010.

Insofern wäre doch zu hoffen, dass der Sport im Mittelpunkt der kommenden Wochen steht und wir ab heute einen Monat voller Begeisterung und Spielfreude mitnehmen dürfen. Um Korruption und Sepp Blatter muss sich natürlich auch gekümmert werden. Gerade für letzteren bleibt aber auch nach dem Turnier genug Zeit. Nur was die nicht unbedingt beneidenswerten Einwohner Brasiliens anbelangt, sollten die Augen nicht verschlossen bleiben. So ganz darf und sollte man ein Sportereignis nie von der Politik loslösen. Sehr zurecht gelang es bis dato weder der FIFA noch dem IOC dies zu veranlassen. Meinung kann eben nicht verboten werden. Meine Meinung: Freut euch auf die WM. Mit oder ohne Deutschland-Fahne. Aber bitte mit Begeisterung.