Im Oktober 2017 startet auf Sky die seit Jahren angekündigte Mammutproduktion [[Babylon Berlin]]. Vorab habe ich die Produktion nicht zur Verfügung gestellt bekommen, also wenigstens noch nicht. Das hindert mich jedoch nicht daran, eine Kritik zu verfassen. Ein Artikel, zusammengeklaubt aus Pressemitteilungen, Vorberichten und der Wikipedia. Aus Allgemeinplätzen, Sinnlosphrasen und unmöglichen Schlüssen entsteht so: Die ungesehene Kritik. Oder: Was kein Journalismus ist.

Es ist schon jetzt eine Rekord-Serie: 2.200 Stunden Drehmaterial in 180 Drehtagen sind für die Produktion von [[Babylon Berlin]] entstanden – kein Wunder, dass sich für die internationale Co-Produktion, bei der vor allem die deutschen TV-Stationen Sky und ARD in Öffentlich-Rechtlich-Privater Zusammenarbeit einen enormen Anteil haben, viel Zeit für die Nachbearbeitung genommen wurde. Wo Star-Regisseur Tom Tykwer für seinen [[Cloud Atlas]] leichter Größenwahn unterstellt werden konnte, da stimmt es für sein neues Machwerk zweifelsohne ebenfalls.

2012 schon sicherte sich X-Filme die Rechte an den Volker Kutscher-Romanen um Gereon Rath und macht daraus nun [[Babylon Berlin]]. 2013 begannen die Vorbereitungen für die Serie – im Oktober 2017 wird es nun endlich so weit sein, dass es die fertige Produktion auf die hiesigen Fernsehschirme bringt. Also zumindest für Pay TV-Kunden. Wer kein Sky-Abo hat wird noch bis 2018 warten müssen, dann strahlt Das Erste die Reihe aus. Und was soll man sagen: Beim Blick auf die bombastische Kulisse, erklärt sich leicht warum das Studio Babelsberg einiges an Zeit aufwenden musste, um diesen Bau sicherzustellen. Optisch gefangen ist der Zuschauer in den Häuserfronten des Berlins der 1920er-Jahre. Beeindruckend ist hierbei auch die handwerklich hervorragende Umsetzung der verschiedenen architektonischen Stile durch Kulissenbauer.

Auch bei der Besetzung wird nicht gekleckert

Aber auch beim Ensemble wurde nicht gerade gekleckert: Insgesamt 200 Sprechrollen und etwa 5.000 Komparsen galt es zu besetzen. Unter dieser Großschar an Akteuren sind natürlich – wie soll es bei einer internationalen Großproduktion auch anders sein – durchaus bekannte Namen vertreten. Neben Hauptdarsteller Volker Bruch, spielen so Hannah Herzsprung, Matthias Brandt, Lars Eidinger oder auch Fritzi Haberlandt wichtige Rollen.

Volker Bruch, der als Gereon Rath von Köln nach Berlin versetzt wird, ermittelt zunächst vor allem im Rotlichtmilieu. Als er dabei ist, einen Pornoring zu zerschlagen, geht er noch davon aus, dass das alles nicht mehr sei als ein Routine-Job. Doch schnell muss der Kommissar feststellen, dass nicht nur er, sondern auch sein privates Umfeld eine ungeahnte Verwicklung in das Geschehen haben. Das aber kann nicht nur dem Ermittler selbst kaum gefallen. Die unheilvolle Entwicklung: Nachdem er sich in die von Liv Lisa Fries gespielte Stenografin Charly verliebt hat, missbraucht er ihr Spezialwissen, um sich in den Ermittlungen einen Vorteil zu verschaffen. Dass sich der Ermittler somit selbst eine Schlinge um den Hals legt, merkt Gereon Rath erst zu spät.

Volker Bruch weiß dabei, gekonnt den Konflikt zwischen amouröser Annäherung, beruflichem Interesse und persönlicher Krisensituation zu meistern und spielt sich brillant durch die Produktion. Aber auch Liv Lisa Fries bringt ihre ambivalente Rolle spannend auf den Schirm. Doch ist die Figur Gereon Rath so dominant, dass man ihr kaum zu entkommen vermag. Es ist sicherlich kein Vollsympath, für manchen Zuschauer mag es auch tief empfundene Abneigung sein, die man dem Kommissar entgegenwerfen möchte. Von ihm ablassen aber kann man kaum. Auch wenn man das gelegentlich gerne möchte, beispielsweise, wenn man Lars Eidinger begutachtet, wie er ebenso lustvoll wie exzentrisch vor sich hin spielt. Mehr Screen Time für Eidinger wünscht sicher der Zuschauer in diesen Sequenzen.

Tykwer hat Zeit

Doch das Verhältnis zu den Figuren entsteht zweifelsohne nicht in Sekunden: Die Entwicklung der Figuren lässt sich bewusst Zeit, wie man es von Genie-Regisseur Tykwer kennt. In 16 Folgen breitet er seine Charaktere in aller Tiefe aus, gibt ihnen Zeit. Dass nicht gehetzt wird, muss dabei auch der Produktionsfirma positiv angerechnet werden – einige wenige Längen wird der Zuschauer der Serie so aber eben doch attestieren müssen.

Während Kult-Regisseur Tom Tykwer davon spricht, dass es sich bei seinem neuen Projekt um eine unerzählte Geschichte handelt, kommt einem unentwegt die Sat.1-Eventproduktion [[Mordkommission Berlin 1]] in den Sinn. Doch Tykwer liegt mit seiner Einschätzung richtig, [[Babylon Berlin]] erzählt eine nie dagewesene Geschichte in einer bekannten aber dennoch spannend inszenierten Umgebung.

Im Spannungsfeld zwischen Feierlaune, Fortschritt und Nationalsozialismus

Nein, Hauptkommissar Gereon Rath ermittelt im Spannungsfeld zwischen zunehmender Arbeitslosigkeit und exzessiver Feierlaune, zwischen Fortschritt und aufkeimendem Nationalsozialismus und fängt dabei die Gesellschaft der 1920er authentisch ein, besser als es vergleichbare Produktionen schafften; vor allem einzigartiger. Dazu tun auch die Originalkulissen Museumsinsel und U-Bahnhof Hermannplatz ihr Übriges.

So ist [[Babylon Berlin]] trotz historischer Verortung in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durchaus ein moderner Polizeikrimi, der zeigt wie sehr die Weimarer Republik auch von progressiven Stimmungen durchsetzt war.

Und so wird sich letztlich auch Netflix freuen, dass man sich beim Streaming-Anbieter die Rechte für die US-Verwertung gesichert hat. Und auch im globalen Vertrieb ist [[Babylon Berlin]] schon weit gekommen, auf über einem Dutzend Märkten ist die Serie schon untergekommen. Kein Wunder also, dass nach den ersten zwei Staffeln mit ihren 16 Folgen schon eine dritte in Debatte ist. Stoff für insgesamt fünf Seasons bieten die Buchvorlagen von Volker Kutscher ohnehin. Zunächst aber gilt es, die ersten beiden Staffeln zu genießen. Und das gelingt. Das lange Warten also – es hat sich gelohnt.

Wie man eine Kritik über einen ungesehenen Film nicht schreiben sollte, gibt es hier zu lesen.

© Bild: Degeto/Sky/X-Filme/Beta-Film