Wenn man als Journalist anderen Journalistinnen und Journalisten Recherchefehler vorwirft, was sollte man dann getan haben? Richtig, man sollte seinerseits korrekt recherchiert haben.


Den Schritt, die Kolleginnen und Kollegen von diversen, nicht konkret benannten Medien zu kritisieren ist vor einigen Tagen Welt-Redakteur Thore Barfuss gegangen. Barfuss und sein Redaktionskollege Dennis Sand waren jüngst zu Gast im hauseigenen Interna-Podcast [[Welt Insider]]. In besagter Folge beschäftigte sich Moderatorin Carla Baum mit den Antisemitismus-Vorwürfen gegen Kollegah und Farid Bang in Zusammenhang mit dem an die Künstler verliehenen Musikpreis Echo.

Barfuss übte dabei recht harsche Kritik an der Arbeit von Redaktionen des Landes: [[Es fängt mit so Sachen an, die ich heute in Medien mehrfach gelesen habe. Die Echo-Jury hätte zwei Antisemiten den Preis verliehen. Der Preis wird vergeben danach, wie viele Alben verkauft wurden. Punkt. Da wird nix von ner Echo-Jury verliehen. Und solche elementar schlimmen Recherchefehler findest Du in allen Medien. Wenn nicht jemand da ist, der es verhindert.]]

Allerdings ist es vor allem dieser Welt-Podcast, für den es bessere Recherche gebraucht hätte, um schlimme Recherchefehler zu verhindern. Denn auch wenn Barfuss seine Aussagen für absolut wahr halten mag und den Punkt nachdrücklich setzen will: Es ist schlicht nicht wahr, dass es keine Jury gab, die an der Preisverleihung beteiligt war. Und es wäre auch nicht allzu schwer gewesen, das herauszufinden. Wie der Echo selbst auch nach seiner Abschaffung noch auf der Website mitteilt, wurde der Preis sehr wohl unter Beteiligung einer Jury verliehen. Es gab für verschiedene Preise unterschiedliche, teils recht komplexe Verfahren. Allen gemein ist, dass eine Entscheidung durch Jury- oder Vorstandsmitglieder eine Rolle spielt. Für das einfache Verständnis hat man beim Echo sogar noch eine grafische Darstellung hochgeladen. Alles gar nicht so schwer zu recherchieren.

Der Echo Hip-Hop/Urban national, um den es im konkreten Fall ging, wurde unter Beteiligung einer so genannten Fachjury vergeben. Die Wertung dieser Jury floss zu 50 % in die Vergabe des Preises ein, die andere Hälfte setzte sich dann tatsächlich aus den Albumverkäufen zusammen. Es gibt sogar einen Aspekt, in dem die Verkäufe, konkret die Charts, tatsächlich allein ausschlaggebend sind: Für die Nominierungen. Hier kann ein Beirat nur im Ausnahmefall einschreiten. Für die letztendliche Preisverleihung allerdings gilt das beschriebene Verfahren. Also: Es gab diese Jurys und sie hatten auch mitentscheidenden Einfluss auf die letztendliche Verleihung der Echos. Punkt.

Man kann sicherlich debattieren, ob die Zusammensetzung der Jurys besonders sinnstiftend war. Sie sah wie folgt aus:

[[Die [[Fachjurys]] bestehen aus den Mitgliedern des BVMI (Anm.: Bundesverband Musikindustrie) und ehemaligen nationalen Preisträgern und Nominierten des ECHO Pop sowie Vertretern aus verschiedenen Bereichen der Musikbranche – darunter beispielsweise Händler, Verleger, Veranstalter oder Mitarbeiter der Musikindustrie und der Medienbranche.]]

Die Jury ist also vor allem aus Branchenvertretern verschiedener Art zusammengesetzt Auch hier dürfte also der Verkaufsaspekt im Mittelpunkt stehen. Auch das lässt sich kritisieren. Dennoch: Auch eine unausgeglichene Jury ist eine Jury.

Insider-Podcast: Thema verfehlt?

Dass im Übrigen der Podcast seiner Selbstbeschreibung in dieser Ausgabe kaum gerecht wird, ließe sich an dieser Stelle als Randaspekt abtun. Es zeigt aber andererseits, dass die Welt die Podcast-Folge womöglich genau deshalb veröffentlichen wollte, weil man der Meinung war, eine besonders differenziert-intellektuelle Meinung zu präsentieren.

[[In jeder Folge des Podcasts gibt es einen anderen, exklusiven Einblick in den Maschinenraum der WELT-Redaktion: WELT Insider erzählt die Geschichten hinter den Geschichten und gibt den Gesichtern der Redaktion eine Stimme]], so schreibt die Welt in der Podcast-Beschreibung.

Wie das zu einer Folge passen will, die sich im Kern mit der deutschen Rapszene als Solche und Battlerap im Speziellen beschäftigt, bleibt zumindest fraglich. Zwar beschreiben Barfuss und Sand ein Stück weit Recherchen, die sie in der Rapszene durchgeführt haben, aber das ist doch eher Rand der Argumentation. Inwiefern die Folge in das Konzept des Podcasts passt, hat die Pressestelle der Welt auf Anfrage nicht beantwortet.

Ist das Antisemitismus?

Auch bei der inhaltlichen Beurteilung der Rapper scheinen sich die Podcast-Gäste recht sicher zu sein. So bespricht Dennis Sand den viel diskutierten Textfetzen [[Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen]] mit klarer Kante: [[Diese Zeile, man muss es ganz klar sagen, ist ne mega geschmacklose Zeile, aber sie ist ja nicht antisemitisch.]] Ein Widerspruch scheint an dieser Stelle kaum zulässig, Thore Barfuss geht sogar noch weiter: [[Das Grundproblem bei solchen Themen ist, dass dort wo die intellektuelle Flughöhe vorhanden ist, um darüber zu urteilen ob etwas antisemitisch ist, um so eine Debatte zu führen, fehlt komplett das Verständnis für Rapmusik. Und dort wo das Verständnis für Rapmusik da ist, fehlt die intellektuelle Flughöhe um da tatsächlich ordentlich ne Debatte zu führen.]]

Man selber also sieht sich perfekt in der Lage apodiktisch zu beurteilen was Antisemitismus ist und was nicht, während allen anderen die Fähigkeiten dazu fehlen. Dass Barfuss im Anschluss, als er Ausnahmen dieser Regel nennt, den Zeit-Autor Lars Weisbrod fälschlich Lars Weidbrod nennt, könnte man als simplen Versprecher abtun. In Anbetracht der [[intellektuellen Flughöhe]] ist es aber wenigstens ironisch.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels wurde die Moderatorin Carola Baum genannt. Ihr richtiger Name ist Carla Baum. Der Fehler ist korrigiert.

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