Ironie, Kritik und ein Hauch von Wahnsinn.

Wie Medien Menschen weiter in die Filterblase drücken – und was wir dagegen tun können

Zwei Entscheidungen von Medienhäusern in den vergangenen Wochen sorgen (wohl unfreiwillig) dafür, dass Menschen sich selbst tiefer in eine Filterblase begeben. Und das, obwohl die individuellen Entscheidungen der Medien per se nachvollziehbar sind.

Worum geht es konkret?

Es geht zum Beispiel um die BBC, die nicht mehr möchte, dass Journalist:innen auf ihren privaten Profilen Meinungen zu politischen oder generell kontroversen Themen äußern. Das aber führt dazu, dass im Zweifel weniger Positionen ausgetauscht werden. Eine mögliche Konsequenz: Andere, mutmaßlich extremere, Positionen bekommen größere Reichweiten.

Zweifellos: Das muss nicht so sein: Natürlich kann ein substituierter Medienkonsum auch dazu führen, dass schlicht gleichwertiger Inhalt konsumiert wird. Oder aber Nutzer:in verbringt seine oder ihre Zeit mit etwas ganz anderem. Aufmerksamkeitsökonomie eben.

Dazu kommt: Die Nicht-Kommunikation von Meinungen führt nicht dazu, dass es die Meinungen nicht mehr gibt. Dass dürfte auch Schreihälsen in den Sozialen Medien bewusst sein. Statt hier Dialog herzustellen (wo er nicht ohnehin verloren ist), ergibt sich ein Vakuum, dass mit Spekulationen gefüllt werden kann. Mitarbeiter:innen der BBC können so von ohne Probleme Pseudo-Meinungen angedichtet werden. Der Moderator ist Mitglied der Antifa? Keine Gegenrede. Wo liegt dann die Grenze? Darf der BBC-Moderator oder die BBC-Kommentatorin noch Widerspruch leisten? Oder ist auch das schon zu viel Kontroverse?

Kommentieren darf nur noch, wer bezahlt

Und da wäre die Welt, die entscheidet, dass künftig nur noch Abonnent:innen von Welt Plus die Artikel kommentieren dürfen. Was am Rande bemerkt womöglich sogar dazu führt, dass sich ein Teil der Debatte auf Facebook und Co. verlagert. Vor allem aber verengt es die Debatte auf eine Leserschaft, die ein deutlich engeres Korsett an Meinungen vertritt und debattiert als es der Fall wäre, wenn auch Gelegenheitsleser:innen kommentieren könnten.

Klar: Nur, weil jeder kommentieren kann ist die Debatte nicht besser. Gerade Facebook zeigt immer wieder, dass eine Debatte an der jeder nach Laune teilnehmen kann sogar ziemlich mies ist. Allerdings führt eine Verengung der Debatte auf die eigene Nutzerschaft eben doch dazu, dass die politische Einigkeit im eigenen Debattenraum zunimmt. Aber eben nicht, weil das Meinungsspektrum enger wird, sondern lediglich, weil der eigene Medienresonanzraum enger wird.

Die Krux: Die Entscheidungen von Welt und BBC sind individuell absolut nachvollziehbar.

Natürlich gibt es gute Gründe für die BBC, dass Mitarbeiter:innen nicht politisch kommunizieren wollen. Denn ob man nun in sein Profil schreibt, dass die Meinungen privat sind, wie es beispielsweise BBC-Moderatorin Trish Adudu tut, so sind Person und Medium eben doch nicht gänzlich zu trennen – erst recht nicht, wenn der Arbeitgeber im eigenen Profil genannt wird. Trish Adudu ist immer die BBC-Moderatorin. Wenn Sie eine Meinung äußert, tut sie das auch als BBC-Moderatorin. Ob sie will oder nicht.

Dass Mitarbeiter:innen aber nicht als polarisierende Meinungsmacher:innen dastehen, ist aus Gründen der Neutralität für ein öffentlich-rechtliches Medium wie die BBC von zentraler Bedeutung. Die Meinung nicht mehr äußern zu dürfen, ist für meinungsstarke Menschen aber andererseits quasi unzumutbar.

Genau so gibt es gute Gründe für die Welt, auf Kommentare von Nicht-Abonent:innen zu verzichten. Schon ganz pragmatische: Die Welt berichtet selbst, dass Kommentare von jenen Menschen in der Regel bessere Qualität haben, die für Inhalte bezahlen. Auch von anderen Medien gibt es ähnliches zu berichten. Der Moderationsaufwand für Medienhäuser sinkt also dadurch. Das tut er zusätzlich natürlich auch, weil naheliegenderweise schlicht weniger Kommentare zu moderieren sind.

Die Debatte wird also auch erstmal insofern besser, als mutmaßlich viel Troll- und Trash-Getexte wegfällt. Aber eben auch viel Gegenposition.

Was dabei dann noch schlimmer wäre: Wenn sich die Debatte schlicht auf Facebook verlagert. Da das Medium selbst jetzt nicht die alleinige Hoheit über den Kanal hat, sondern Facebook eben auch mit reinspielt, kann man auch hier mit weniger Aufwand argumentieren. Doch ist die Polarisierung bei Facebook noch viel weiter vorangeschritten.

Wie raus aus der Filterblase?

Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich Medien, die meiner eigenen Überzeugung nicht entsprechen gerne nutze, auch um selbst bewusst gegen die Filterblase anzulesen. Auch die Debatten darunter lese ich gerne – vor allem dann, wenn sie wirklich unterschiedliche Positionen differenziert diskutieren. Das könnte nun bei der Welt verloren gehen.

Eine Lösung also gibt es nicht wirklich, weil es hier absolut kein Richtig oder Falsch gibt.

Denn entscheidend beim Umgang mit Meinungen in sozialen Medien ist nicht (primär) der Algorithmus, sondern der Mensch, der einerseits selbst bereit sein muss, andere Meinungen bewusst wahrzunehmen. Und andererseits die Möglichkeit braucht, dieses Spektrum an Meinungen auch präsentiert zu bekommen.

Denn: Nutzerinnen und Nutzer schaffen sich interessengeleitet ihre Filterblasen selbst. Und während Axel Springer und Co. einerseits fast Reflexhaft nach Regulierung von Facebook und Google rufen, arbeiten sie andererseits daran die Filterblasen selbst zu vertiefen.

Demnach ist die Antwort so einfach wie frustrierend: Vermutlich sind wir als Leser:innen in der Holschuld: Wir müssen diese Debattenräume, die differenzierte Positionen präsentieren, aktiv einfordern. Wenn genug Menschen das immer wieder tun, ist es irgendwann sicherlich erfolgreich. Solange hilft nur, die Filterblase ganz bewusst zu durchbrechen – und dafür andere Medien zu nutzen. Am besten solche, die breite Diskussionen fördern.