Transparency International hat seinen Index zur Korruptionswahrnehmung veröffentlicht. Verschiedene Medien stellen ihn als unfehlbares und unabhängiges Tool zur Erfassung von Korruption dar. Was er nicht ist – und gar nicht sein will.


[[So korrupt ist unsere Welt]]

Mit dieser Schlagzeile eröffnete Bild.de den Bericht zum jüngst veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex 2017 von Transparency International.

Es ist diese Überschrift, die das erste große Dilemma zeigt: Denn genau das kann der Index nicht leisten, wie Transparency International auch selbst erklärt. Bis heute nämlich gebe es keinen Indikator, [[der das Korruptionsniveau objektiv und vollständig misst]].

Es wäre auch nicht allzu schwer das herauszufinden. Eigentlich sagt schon der Name des Korruptionswahrnehmungsindex, dass er genau keine Aussage über die tatsächliche Korruption trifft. Dennoch haben beispielweise Focus Online oder Zeit Online Überschriften verwendet, die genau das insinuieren. [[Deutschland rutscht auf Korruptionsindex ab]], heißt es dort. Nicht nur allerdings wird hier das verkürzende Wort Korruptionsindex genutzt wird, auch muss man über das Wort [[abrutschen]] diskutieren. Betrachtet man den Index rein tabellarisch trifft es durchaus zu, dass Deutschland schwächer platziert ist als noch im Vorjahr: Während die Bundesrepublik im Jahr 2016 noch auf Rang 10 positioniert war, schaffte das Land im Jahr 2017 nur noch Rang 12. Den geringen Abstieg um zwei Plätze bei mehr als 175 Ländern im Ranking mit der dramatischen Vokabel [[abrutschen]] zu beschreiben, ist dabei sicherlich eine zulässige wenngleich theatralische Zuspitzung.

Die gleiche Punktzahl – 2017, 2016 und 2015

Beim reinen Blick auf die Werte allerdings, funktioniert die Diktion vom Abrutschen endgültig nicht mehr. 81 von 100 Punkten erhält Deutschland, wobei 100 für die niedrigstmögliche Korruptionswahrnehmung stehen würde. Damit erreicht die Bundesrepublik den gleichen Wert wie 2016 und 2015 und ist zwei Punkte besser als 2014. Die schlechtere Platzierung ist also begründet in den verbesserten Werten der anderen erfassten Nationen.

Wo kommt diese Schlagzeile dann allerdings her? Mutmaßlich von Transparency International selbst, das in der Überschrift seiner Pressemitteilung allerdings auf Verkürzungen verzichtet: „Korruptionswahrnehmungsindex 2017: Deutschland rutscht durch Nichtstun auf Platz 12“ heißt es dort. In der Formulierung abrutschen steckt also das „Nichtstun“ als interpretatorisches Element. Und selbstverständlich kann man diese Interpretation teilen. Allerdings handelt es sich dabei um genau das: Eine Interpretation. Eine Interpretation, mit der sich Focus und Zeit durch das Verwenden des Wortes [[abrutschen]] in der Überschrift wenigstens ein Stück weit gemein machen. Zumal sich in den Artikeln zeigt, dass auch hier die Thesen von Transparency International gehör finden. So wird stets die Forderung nach einem Lobbyregister transportiert. Neben der reinen Beschreibung des Korruptionswahrnehmungsindex darf sich Transparency International also stets auch politisch positionieren. Das ist auch insofern schwierig, als der Index aus Daten von nichtstaatlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren aggregiert wird. Darunter auch Daten, die vom Weltwirtschaftsforum zu Verfügung gestellt werden. Das delegitimiert den Index nicht, zumal aus jedem Land mindestens drei Datenquellen, meist aber deutlich mehr, aggregiert werden. Es macht aber Einordnung dennoch notwendiger.

Gegenpositionen? Fehlanzeige.

Gegenpositionen zu Transparency-Meinungen haben zumeist jedoch keinen Platz. So kommt die Bundesregierung, der vorgeworfen wird zu wenig zu unternehmen, bei keinem der genannten Artikel zu Wort. Und auch diverse weitere Berichte zitieren lediglich Transparency International-Vertreter. Beim Focus-Artikel gibt es immerhin noch eine Stellungnahme der Grünen-Politikerin Britta Haßelmann zu lesen.

Es ist dann ausgerechnet der Bild-Bericht, der zumindest an einer Stelle differenziert ausfällt. Dort wird das Zustandekommen des Index zumindest teilweise beschrieben: [[Transparency verwies darauf, dass es bislang keinen Indikator zur objektiven und vollständigen Messung des Korruptionsniveaus gebe, weil Korruption normalerweise mit illegalen Vorgängen einhergehe, die nur durch Skandale, polizeiliche oder strafrechtliche Ermittlungen ans Licht kommen]], schreibt Bild.de.

Das sind die korruptesten Länder der Welt!

An anderer Stelle hingegen listet Bild grafisch die [[korruptesten Länder der Welt]] auf. Die lassen sich aber über den Index gar nicht benennen. Wenn der freundliche Pate aus der Nachbarschaft vom Schnell-Imbiss um die Ecke Schutzgeld verlangt, spielt das in der Auswertung keine Rolle. Auch Schattenwirtschaft, illegale Finanzströme, Geldwäsche oder Korruptionswahrnehmung von Bürgerinnen und Bürgern sind für den Index irrelevant. Für die tatsächliche Korruption in einem Land aber keineswegs.

Beim Korruptionswahrnehmungsindex geht es lediglich um Korruption im öffentlichen Sektor. Das ist gewiss relevant und interessant und wird in den Artikeln von Focus und Zeit so auch formuliert. Wie Bild.de eine Rangliste der korruptesten Länder daraus zu machen funktioniert aber gerade nicht.

Eine neue Beobachtung ist die gesamte Sache übrigens nicht. Schon 2013 schrieben Michalis Pantelouris und Stefan Niggemeier auf was schwierig ist, verbessert hat sich seitdem nichts. Und das, obschon Transparency International alles auch in seinen FAQs zum Korruptionswahrnehmungsindex erklärt. Es wäre also nicht allzu schwer, den Index kritisch einzuordnen, aber wenigstens sauber mit den Zahlen umzugehen. Man muss aber dann auch bereit sein, diese FAQs durchzulesen. Es mag auch dem Druck in vielen Redaktionen geschuldet sein, dass man sich nicht einmal dafür eine halbe Stunde Zeit nimmt. Eine Entschuldigung ist es nicht.

© Bild: Dieter Schütz / pixelio.de