Dass Google Plus geschlossen wird, war nicht die eigentliche Nachricht, die Google zu verkünden hatte. Doch Googles Hoffnung, dass Gras über das wirkliche Problem wächst, hatte zumindest an vielen Stellen Erfolg.
Für Kommunikatoren ist es eine der ersten Regeln, die sie immer wieder eingetrichtert bekommen: Jede Unternehmensmitteilung soll genau eine Nachricht enthalten. Und wenn es zwei wichtige Nachrichten für das Unternehmen gibt, dann gibt es auch zwei Mitteilungen. So weit, so einfach.
Was aber wenn man eine Botschaft mit an Bord hat, die man eigentlich gerne verstecken möchte? Wäre es dann nicht gerade klug sie in die gleiche Mitteilung mit einer anderen wichtigen Botschaft zu verpacken? Nein, darauf fallen Journalisten nicht rein. Vor allem nicht deutsche Journalisten. Oder?
Was wäre zum Beispiel, wenn Google Plus wegen einer Panne seit Jahren Nutzerdaten für App-Entwickler zugänglich gemacht hat. Was, wenn Google das außerdem bereits vor über einem halben Jahr bemerkt hat, aber erst jetzt mitteilt was eigentlich passiert ist? Und was wäre, wenn Google dann gleichzeitig mitteilt, dass Google Plus dicht gemacht wird? Google Plus, ein Netzwerk das zwar laut selbst erhobenen Daten im Mai 2017 3,359 Milliarden Mitglieder hatte, das aber de facto tot ist, weil die meisten der Accounts Zwangsmitglieder waren, um den Google-Account insgesamt nutzen zu können.
Was wäre dann die Nachricht? Welche Überschrift würde man als Journalist wählen?
Und wenn man noch die letzten Klicks rausziehen möchte, dann macht man halt noch einen Artikel dazu, wie die Leute auf das Aus von Google Plus reagieren:
Der Fokus also für viele: Die Leiche Google Plus wird endlich zu iGoogle und Google Answers in die Gruft gelegt. Das Datenleck hingegen, das immerhin 500.000 Nutzerinnen und Nutzer betroffen hat, tritt in den Hintergrund. Auch Googles Umgang damit ist einigermaßen egal – eben bis auf die Tatsache, dass das Unternehmen den Stecker zieht. Die eigentliche Nachricht wird zwar erwähnt, steht aber oft nicht im Mittelpunkt.
Das ist besonders interessant, weil mit Facebook beim Cambridge Analytica-Skandal ganz anders verfahren wurde. Zugegeben: Die Zahl der betroffenen Datensätze ist mit 87 Millionen bei Facebook ungleich höher. Beiden gemein ist jedoch, dass der Umgang mit dem Skandal mindestens fragwürdig ist. So sahen Artikel der gleichen Medien beim Facebook-Skandal aus:
Es ist nicht so, als wären alle Journalisten auf Googles-Kommunikationstrick hereingefallen. Das Special Interest-Magazin t3n hat beispielsweise in einem Artikel das Datenleck aufgedröselt:
Aber auch andere Medien haben die eigentliche Nachricht in den Vordergrund gestellt:
Dennoch: Für Google hat sich der einfache Trick ausgezahlt. Einfach eine andere Botschaft mitschicken und schon setzen viele Medien den Fokus im Sinne des Unternehmens.
Immerhin: An ganz entscheidender Stelle wusste man die Nachrichten rund um Google richtig zu deuten: Wie das Hamburger Abendblatt berichtet, ermittelt der dortige Datenschutzbeauftragte gegen Google wegen des Datenlecks und den Umgang damit.
© Bilder: Google Plus, Screenshots Manager Magazin (2), FAZ.NET (2), Stuttgarter Nachrichten (2), Tagesspiegel (2), Deutsche Welle, DasDing, Stern, t3n, Spiegel Online, Welt, ZDF