Kaum eine Begrifflichkeit schafft es so viel Ambivalenz zu formulieren und lässt Lesende trotzdem so allein wie ein [[bleibt abzuwarten]]. Welchen Begriff man stattdessen verwenden sollte muss sich noch zeigen.

Es sind nicht nur Boulevardmedien, die gerne davon schreiben, dass etwas [[abzuwarten bleibt]]. Doch sie tun es besonders gerne. Denn mit der Formulierung lässt sich trefflich spekulieren: Wie sich das Verhältnis der restlichen britischen Königsfamilie zu Harry und Meghan entwickelt bleibt schließlich abzuwarten. Solange aber kann alles Mögliche passieren: Wird Harry eventuell einen lebenden Tiger verspeisen, um damit seine Liebe zu den Vereinigten Staaten und deren extraordinärer Esskultur öffentlich zu beweisen? Bleibt abzuwarten.

Wann und ob Stefan Raab sein TV-Comeback auf der Bühne feiern wird, bleibt abzuwarten. Solange aber lässt sich wunderbar behaupten, dass er unter dem Künstlernamen Cro mit einer Panda-Maske in einer ProSieben-Show auftritt.

Aber auch seriöse Medien sind vor der Floskel nicht gefeit. So findet sich in einem Artikel auf Süddeutsche.de vom 7. Mai 2020 der nachfolgende wunderbar hanebüchene und zugleich nichtssagende Satz:

[[Ob die Rikschas aber auch zum Döneressen genutzt werden, bleibt abzuwarten.]]

Und das ist vermutlich ein Kernproblem der Begrifflichkeit: Sie sagt erst einmal nichts aus, außer dass man keine Aussage zu treffen vermag. Dabei beschreibt das [[bleibt abzuwarten]] ja nun tatsächlich das, was von Journalistinnen und Journalisten immer gewünscht wird und vor allem auch verlangt werden sollte: Das Eingeständnis, dass man über gewisse Dinge (noch) keine Aussage treffen kann. Dieses Eingeständnis ist wichtig. Es fehlt in vielen Situationen, auch und gerade im Journalismus.

[[Bleibt abzuwarten]] bietet also eigentlich beides: Zum einen das Eingeständnis der Ungewissheit und zum anderen die Möglichkeit wild zu spekulieren. Wie aber passt das beides zusammen?

Die einfache und zugleich frustrierende Antwort ist: Überhaupt nicht. Denn die Formulierung wird beidem nicht gerecht, weil sie schlicht nicht klar macht, was von beidem sie tut.

Denn wer zeigt, dass er oder sie über etwas noch keine Aussage treffen kann, der sollte auch aufzeigen warum er oder sie noch keine Aussage treffen kann. Das [[bleibt abzuwarten]] lässt diese Begründung weg und schiebt die Lösung auf einen undefinierten und nicht näher begründeten Zeitpunkt in der Zukunft. Es sei denn das [[bleibt abzuwarten]] wird zu einem [[bleibt abzuwerten bis…]] – tut es aber fast nie. Deswegen also ist das eigentlich positive Eingeständnis des Ungewissen hier einigermaßen wertlos.

Auf der anderen Seite hat Spekulation im journalistischen Handwerk schlicht nichts zu suchen. Was man zweifelsohne tun kann, ist begründete Vermutungen anzustellen. Dann aber folgen aus den begründeten Vermutungen mögliche Szenarien. Und erst hier kann überhaupt ein [[bleibt abzuwarten]] ins Spiel kommen. Sprich: Welches der Szenarien eintritt bleibt abzuwarten. Auch hier darf allerdings nicht unterleiben, bis wann das abzuwarten bleibt.

Geschieht das nicht, werden Lesende alleingelassen. Nicht insofern, als Leserin oder Leser die Meinungsbildung selbst übernehmen muss. Das wäre ja wünschenswert. Nein, insofern als Leserin oder Leser gar nicht in der Lage ist, sich eine Meinung zu bilden, weil schlicht nicht alle relevanten Fakten zur Meinungsbildung vorliegen.

Vermutlich ertrage ich das [[bleibt abzuwarten]] auch deshalb so schwer, weil es mich in die Passivität zwingt. Und das tut es, egal ob diese Passivität nun gerechtfertigt ist oder nicht. Denn es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt tatsächlich keine Möglichkeit als abzuwarten. Dann repräsentiert die Floskel nichts anderes als Machtlosigkeit, also die Abwesenheit der Möglichkeit das Schicksal abzuwenden. Oder aber es gäbe eigentlich eine Möglichkeit, die nicht Abwarten heißt. Dann ist das [[bleibt abzuwarten]] ein feiges Zurückschrecken vor der Aktion; vor der Möglichkeit eine Handlung zu ergreifen. In beiden Fällen aber, ist das Abwarten nur schwer erträglich.

Das gilt in der Corona-Krise ganz besonders: Ist die Ungewissheit aktuell an vielen Stellen größer denn je, so wird das Abwarten im Wohlgefühl der Öffnungsorgien zwangsweise auf vierzehn Tage festgesetzt. Das mag angesichts der Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen sicher sinnvoll sein. Andererseits täuscht es vor, dass nach vierzehn Tagen eine endgültigere Antwort zur Verfügung steht, nur um das Abwarten dann um weitere Zeit zu schieben – oder womöglich sogar in überstürzter Handlung. Das Problem liegt also nicht nur in der Formulierung als Solche, sondern auch im Umgang mit ihr. Das journalistisch geforderte Abwarten erfordert demnach Geduld.

Darüber hinaus kann das [[bleibt abzuwarten]] auch ein Symbol für mangelnde Transparenz sein. Immer dann, wenn beispielsweise der FC Köln keine Aussage über die Zukunft seines Trainers treffen mag, bleibt dessen berufliches Schicksal abzuwarten – selbst wenn die Entscheidung oft schon längst getroffen ist.

Somit steht das Abwarten für das mannigfaltige Schlechte: Spekulation, Ungewissheit, Machtlosigkeit, Passivität, Ungeduld oder mangelnde Transparenz. Welche Begrifflichkeiten man nun stattdessen verwenden sollte hängt also ganz von der Situation ab, in der man sich befindet. Anders gesagt: Es bleibt abzuwarten.