Die [[heute show]] übernimmt Deutungsmuster der [[Bild]]. Warum das mehr Gefahr birgt, als wenn reißerische Berichte in Boulevardblättern erscheinen.
[[Glyphosat bleibt erlaubt, aber Döner wird verboten? Ich glaub es hackt.]] Zu dieser plakativ-populistischen Aussage lässt sich Oliver Welke in der [[heute show]] vom 1.Dezember hinreißen (Beitrag: ab 09:41 Minuten). Das ist ziemlicher Unsinn: Mal abgesehen davon, dass in der den Döner betreffenden Phosphat-Frage noch gar keine Entscheidung gefallen ist, ist die Aussage Döner würde verboten auch schlicht falsch, wie der Faktenfinder der Tagesschau hier aufdröselt. Gut möglich, dass die [[heute show]] hier Argumentationen der [[Bild]] übernommen hat. Die nämlich hatte das Döner-Verbot offensiv ins Spiel gebracht. Das Problem: Wenn die [[heute show]] solche falschen Deutungsmuster übernimmt, birgt das mehr Gefahrenpotenzial, als bei Veröffentlichung im Boulevardblatt.
Doch damit ist nicht Schluss: [[Für die Artenvielfalt ist das Zeug auf jeden Fall und nachgewiesenerweise eine Vollkatastrophe. Dagegen kann man gar nicht entschieden genug demonstrieren.]] Das sagt Welke zuvor zum Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat. Im Anschluss daran gibt es in der ZDF-Satire noch einen Glyphosat-Adventskalender hinter dem diverse tote Tierchen warten. Dass jedes Unkrautbekämpfungsmittel, also nicht nur Glyphosat, wenigstens einen Eingriff ins Ökosystem darstellt, wird dabei nicht erwähnt. Damit möchte ich ausdrücklich keine Position für oder gegen Glyphosat beziehen, nur würde zu einer ausgewogenen Beurteilung auch dieser Aspekt von Relevanz sein. In dieser Debatte nämlich gibt es durchaus Argumente für beide Positionen.
[[Minister für Steckrüben und Kuhscheiße]] beleidigt nicht Schmidt, sondern Landwirte
Dass die [[heute show]] zuvor das Vorgehen von Christian Schmidt im Umgang mit der Glyphosat-Gesetzgebung kritisiert ist durchaus nachvollziehbar, auch hier aber wird wieder ignoriert, dass die in diesem Fall übergangene Barbara Hendricks zuvor in ähnlicher Weise agierte. Dass Serdar Somuncu über Christian Schmidt im Anschluss sagt, er sei der [[Minister für Steckrüben und Kuhscheiße]], mag dann als Witz über den CSU-Mann gemeint sein, diskreditiert aber in erster Linie die Landwirte der Republik.
Diese Aussagen machen die [[heute show]] noch nicht zum Springer-Kampffernsehen. Ohnehin ist der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler in seiner Studie [[Quatsch oder Aufklärung]] zum wenig überraschenden Ergebnis gekommen, dass Satire-Sendungen den Nachrichtenkonsum nicht ersetzen können. Alleine: Ich habe mit einigen Menschen gesprochen, für die sie das tun. Nun kann man sagen: Das ist ja nicht das Problem der Satire-Sendung. Ist es auch nicht. Anspruch an die korrekte Darstellung eines Themas sollte eine solche Sendung trotzdem haben. Ansonsten ist auch die Pointe wertlos.
Leiden von Opfern zu instrumentalisieren hat man bei [[Bild]] perfektioniert
Zweifelsohne: Die [[Bild]] berichtet deutlich mehr, was man als Unsinn, tendenziös oder wenigstens unsachlich bezeichnen könnte. Das könnte man an dieser Stelle weiter ausführen, ich möchte aber lieber auf das [[bildblog]] verweisen, das seit Jahren detailliert aufschreibt, was beim Springer-Medium falsch läuft. Und damit mich keiner falsch versteht: Ich finde das, was die [[heute show]] tut keinesfalls verurteilenswerter als das was die [[Bild]] macht. Im Gegenteil. Leiden von Opfern zu instrumentalisieren oder Dinge bewusst zu verzerren hat man bei [[Bild]] perfektioniert. Nur hat die [[heute show]] aus meiner Sicht ein anderes Maß an Verantwortung, weil ihre Glaubwürdigkeit größer ist. Das ist wohlgemerkt eine These, die ich nicht direkt mit Zahlen untermauern kann. Trotzdem lohnt der Blick auf Studien.
Eine wohlgemerkt vom WDR in Auftrag gegebene Studie von infratest dimap, sagt dass 86 Prozent der Befragten die Boulevardpresse allgemein für „weniger glaubwürdig“ halten (die einzige alternative inhaltliche Option wäre „glaubwürdig“ gewesen, diese wählten sieben Prozent, der Rest machte keine Angabe oder sagte „weiß nicht“). Beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen äußern nur 26, dass sie die Medien „weniger glaubwürdig“ finden, 71 Prozent halten die Sender von ARD und ZDF für glaubwürdig. Diese Zahlen sind aus einer Erhebung, die Ende Oktober 2015 stattfand, an genau zwei Tagen. Hier darf man sich sicherlich fragen, inwiefern die Befragung beeinflusst ist von der politischen Stimmung der Tage (das viel und häufig auch unzureichend zitierte [[Wir schaffen das]] von Angela Merkel wurde am 31. August 2015 ausgesprochen). Außerdem ist sicher fraglich, wie aktuell fast zwei Jahre alte Werte sind.
Helfen könnten aktuellere Zahlen der Gesellschaft der führenden PR- und Kommunikationsagenturen in Deutschland, die Detektor.fm präsentiert: Die Zahlen von 2017 sagen, dass lediglich 17 Prozent der Befragten der Bild-Zeitung vertrauen, während den [[öffentlich-rechtlichen Sendern]] immerhin 60 Vertrauen zusprechen. Konkrete Zahlen für die [[heute show]] konnte ich leider nicht finden. Gut möglich, dass das Vertrauen in eine satirische Nachrichtensendung geringer ist, als in seriös-intendierte Nachrichtenformate oder als in öffentliche-rechtliche Kanäle in Gesamtbetrachtung. Dennoch würde ich die These aufstellen: Das Vertrauen ist dennoch deutlich größer als das in [[Bild]]-Zeitung und Boulevardpresse in toto.
Wenn aber die Zuschauer mehr Vertrauen in die [[heute show]] stecken, dann steigt eben auch die Verantwortung. Das heißt weder, dass Satire sich nicht positionieren darf, noch das Satire strikt sachlich sein muss. Das kann sie gar nicht. Journalismus muss schon häufig verkürzen, Satire kann nicht anders. Sogar die vielgelobte [[Anstalt]] macht das, wenn auch seltener als andere. Aber Satire sollte doch zumindest nicht grob verzerren. Und erst recht keinen Unfug verzapfen. Sie darf das, denn wir wissen ja: Satire darf alles. Aber dann muss sie eben Kritik aushalten.
© Screenshot ZDF
Max Mustermann sagt:
Satire setzt immer auch Reflextionsfähigkeit vorraus! Der ganze Artikel wirkt, als würde nichts anderes einfallen, um Aufmerksamkeit zu erregen.
14. September 2018 — 21:48